Schulsozialarbeit: Reaktionen und Hintergründe

Das Bildungsministerium verlangt von Schulsozialarbeitern, künftig genaue Daten über die Schüler zu erheben, die zu ihnen kommen.

Reaktionen:

Die GEW hat erklärt, die neue Richtlinie bringe „Probleme bei der Umsetzbarkeit und Effektivität der Datenerhebung“. Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, sagte: „Die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt ist noch nicht flächendeckend etabliert, angesichts der bisherigen Erfolge wäre ein weiterer Ausbau das Gebot der Stunde. Der jetzt in der Diskussion stehende Fragebogen bindet hingegen in erheblichem Umfang Ressourcen, die dann nicht mehr für
die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen verfügbar sind.“

Die GEW will zudem langfristig erreichen, dass die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt stärker mit Landes- oder Kommunalmitteln finanziert werde, anstatt mit EU-Geld. Denn die EU-Förderperiode laufe ohnehin zwischen 2018 und 2020 aus, so GEW-Sekretär Frank Wolters. „Und dann wäre alles weg.“

DIE LINKE im Landtag hat erklärt, das Anliegen der Schulsozialarbeit werde gefährdet. Es stünde „eine Stigmatisierung der Schüler*innen aus Erwerbslosen- und Alleinerziehendenhaushalten und mit Migrationshintergrund latent im Raum“, so Landesvorsitzende Birke Bull. „Und wer sagt eigentlich, dass Kinder arbeitsloser Eltern oder Alleinerziehender oder von Eltern mit Migrationshintergrund oder Kinder mit einem Behindertenausweis per se Problemkinder sind?“, so Bull weiter. Man wolle das Thema im Landtag thematisieren.

Die LIGA Sachsen-Anhalt will sich mit dem Bildungsministerium in Verbindung setzen, um die Landesrichtlinie und wenn möglich auch die europäischen Abrechnungsmodalitäten zu verändern. Geschäftsführerin Manuela Knabe-Ostheeren: „Es gibt deutschlandweit das Problem mit der Abrechnung der ESF-Mittel.“ Sie habe die Befürchtung, dass sich einerseits nun die Geschäftsgrundlage für die Träger ändere und diese so die im Schulsozialarbeitsprogramm festgelegten Zielvorgaben nicht mehr erreichen könnten. Zum anderen bestehe auch die Gefahr, dass sich ganze Schulen von der schulsozialarbeit zurückziehen könnten, weil auch für sie der Organisationsaufwand steige. „In anderen Bundeslänern soll es das schon vereinzelt gegeben haben“, so Knabe-Ostheeren.

Hintergrund:

In Sachsen-Anhalt werden die allermeisten Schulsozialarbeiter über Geld aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert. Die Förderperiode läuft von 2014 bis 2020. Zuständig sind fachlich das Bildungsministerium und, was die Abrechnung mit Brüssel angeht, das Finanzministerium. Die Europäische Kommission knüpft die Abrechnung der Mittel an so genannte Indikatoren, die von den Mittelempfängern erfasst werden müssen. So soll sichergestellt werden, dass die EU-Mittel auch für den sozialen Zweck eingesetzt werden, für den sie vorgesehen sind.

Das Programm zur Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt heißt „Schulerfolg sichern“, und freie Träger beantragen Mittel daraus. Die in den Schulen tätigen Sozialarbeiter sind bei den Trägern angestellt, arbeiten aber eng mit den Schulleitungen zusammen.

Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat nun die Zuwendungsbescheide an die Träger ergänzen lassen um die Pflicht zur Datenerhebung. Diese sei zwingend bei der Abrechnung der Mittel gegenüber der Europäischen Kommission. Die Träger wiederum bekommen die Arbeit ihrer Schulsozialarbeiter folglich nur vergütet, wenn sie die Daten der teilnehmenden Schüler beibringen können.

In Sachsen-Anhalt sind aktuell 409 Schulen betroffen; 359 öffentliche und 50 freie.