MZ ohne Kranert ist wie Fischer ohne Netz
Die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) verliert einen ihrer wichtigsten Redakteure. Landeskorrespondent Hendrik Kranert-Rydzy wurde gestern in Magdeburg mit großer Geste verabschiedet. Der 44-Jährige war seit 1993 MZ-Redakteur, die letzten elf Jahre berichtete er aus der Landeshauptstadt und wurde so zum führenden politischen Journalisten Sachsen-Anhalts . Chefredakteur Hartmut Augustin würdigte Kranert-Rydzy laut Twitterberichten Anwesender wie folgt:
„Er ist ein MZ-Kind. Mehr MZ geht nicht“ @HendrikMD #SachsenAnhalt pic.twitter.com/MaMboVfG7m
— Kai Gauselmann (@KaiGauselmann) 26. Mai 2016
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) soll gesagt haben:
Haseloff: „Die Heimat ist immer für Sie offen und für Sie da“ @HendrikMD #SachsenAnhalt #MitteldeutscheZeitung pic.twitter.com/UUTggrW0mB
— Kai Gauselmann (@KaiGauselmann) 26. Mai 2016
Aber es ist wohl kein normaler Jobwechsel. Kranert-Rydzy, der Leib-und-Seele-Journalist, hat, nach allem, was man aus internen Kreisen hört, regelrecht hingeschmissen. Er verlässt das Blatt in unruhigen Zeiten und wechselt nun ins Berliner Abgeordnetenbüro von Burkhard Lischka (SPD). Kranert-Rydzy selbst schrieb auf Twitter:
Danke an alle, die da waren oder kommen wollten und nicht konnten. #Gefühlsfasching https://t.co/aBeubi6G7s
— Hendrik Kranert (@HendrikMD) 26. Mai 2016
Betriebsklima auf Tiefpunkt
Kranert-Rydzy ist nicht der erste Qualitätsjournalist, der die MZ in den letzten Monaten verlassen hat, aber der bekannteste. Die sogenannte digitale Transformation und der Führungsstil von Chefredakteur Hartmut Augustin stoßen in der Redaktion auf immer offeneren Unmut. So hat die Transformation, die die MZ wegen ständig sinkender Print-Abozahlen stärker auf das digitale Geschäft ausrichten soll, die journalistische Arbeit weiter erschwert und prekarisiert. Zwar wurde vor Kurzem ein neuer sogenannter Newsroom eingerichtet, also ein Großraumbüro, das die multimediale Arbeit erleichtern soll. Gleichzeitig wurde auch die Arbeit der Lokalredaktionen im Einzugsgebiet neu strukturiert. Doch der Niedergang der Abozahlen, der die MZ als Ganzes immer noch wesentlich finanziert, setzt sich fort, während bisher im Digitalbereich noch keine nennenswerten neuen Einnahmefelder erschlossen wurden. Im Gegenteil: Exklusive Inhalte, für die die Abokunden der MZ teures Geld bezahlen, werden nach wie vor auch online verbreitet, kostenlos.
Hinzu kommt eine in den Augen vieler Redakteure kontraproduktive Personalpolitik. So gibt es nun durch die Umstrukturierungen bei der MZ noch mehr Chefs auf hoher und mittlerer Ebene, während die eigentliche Arbeit in der Fläche immer weiter auf der Strecke bleibt und auf den Schultern von immer weniger Redakteuren lastet. „Es schauen sich derzeit viele nach einer neuen Aufgabe um, ich auch“, sagt ein langjähriger Redakteur, der noch an Bord ist. Das Betriebsklima bei der MZ sei „auf einem Tiefpunkt“.
Kranert verabschiedet sich mit Loriot: „Saftladen“
Es könnte also weitere prominente Abgänge bei der MZ geben. Der Weggang von Kranert-Rydzy trifft die MZ schon jetzt hart. Kranert-Rydzy galt bei der MZ als einer der besten Rechercheure. Letzte Scoups waren die Corelli-Affäre und eine Sportplatz-Geschichte um Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sowie der mutmaßliche Steuerbetrug von Landtagspräsident Detlef Gürth (beide CDU). Er hatte nicht nur die besten Kontakte in der Landespolitik sondern hat auch einen exzellenten Schreibstil. Kurz: Die MZ ohne Kranert-Rydzy ist wie ein Fischer ohne Netz.
Als Ersatz hat Chefredakteur Augustin nun dem Vernehmen nach zunächst eine Volontärin nach Magdeburg geschickt. Sie soll gemeinsam mit Redakteur Jan Schumann das Korrespondentenbüro leiten. Schumann berichtete bereits zuletzt gemeinsam mit Kranert-Rydzy aus Magdeburg. Bezeichnend, wie Kranert-Rydzy in einer internen E-Mail seinen Abschied kommentierte: mit einem Zitat aus Loroits Film „Papa ante Portas“. Zentraler Begriff darin: Saftladen.
Transparenz-Anmerkung: Der Autor war selbst knapp vier Jahre lang Journalist bei der MZ, bis August 2015.