Der Grüne und der Golfplatz
Die Gefühle des Wolfgang Aldag sind nicht ganz klar zu deuten: „Das kann es doch wohl nicht sein! Das ist Scheiße!“, ruft er kopfschüttelnd, als er über den eigentlich neu gemachten Liegestrand am Hufeisensee geht. Ist es Entrüstung, Bestürzung oder Ungläubigkeit wegen der scheinbar überhaupt nicht fachgerechten Bauausführung? Aldag, der Stadtrat und Landtagsabgeordnete der Grünen, der hier vor ein paar Tagen eine der im Sommerloch üblichen Wahlkreisbesichtigungen macht, ist selbst Landschaftsarchitekt, und was er sieht, macht ihn nicht nur fachlich fassungslos, sondern auch politisch: „Die Badestrände waren ein wesentliches Argument, wieso der Golfplatzplan überhaupt durch den Stadtrat gekommen ist, und jetzt sieht es so aus.“
Tiefe vom Regen gezogene Furchen durchziehen das, was aussieht, als sollte es eine Sandfläche sein. Die ersten Meter am Ufer sind nasser, aufgeweichter grün-rostbrauner Schlamm. Danach kommt steinharter gelblicher Boden.“Das ist doch kein ordentlicher Sand. Wer weiß, was der hier hingekippt hat. Hier will doch niemand baden. Und auch nicht liegen.“ Aldags Miene wird immer mehr zu einem sarkastischen Lächeln. Aldag bohrt in der Wunde. Baden ist im Hufeisensee weiterhin offiziell nicht erlaubt. Die einst als Badestellen geplanten Bereiche sind nun als Liegewiesen deklariert. „Vielleicht ist es ja auch noch nicht fertig, obwohl die Stadt ja bereits vermeldet hat, dass die Liegewiesen freigegeben sind.“
Der, der hier was „hingekippt“ habe, wie Aldag meint, ist Norbert Labuschke. Der Investor, der am einst jahrzehntelang im Dornröschenschlaf versunkenen Tagebaurestloch Hufeisensee einen Golfplatz baut und ihn damit sozusagen wachküssen soll. Denn zum halleschen Hufeisenplan gehört eben auch das Rundumprogramm, für das aber nicht Labuschke sondern die Stadt verantwortlich ist: ein Rundweg, die Liegestrände, und vielleicht noch irgendwann ein Campingplatz. Aber wann der kommt, ist offen. Die ursprünglich geplante Wakeboardanlage verschwand als allererstes wieder vom Reißbrett. Eine Nebenabsprache des Deals aus Grundstücksverkauf und Bebauungsplanverabschiedung zwischen Stadt und Labuschke war, dass dieser im Zuge seiner eigenen Baumaßnahmen auch Vorbereitungsarbeiten für den Rundweg und eben die Liegestrände leistet. Mit dem jetzigen jämmerlichen Zustand will Labuschke trotzdem nichts zu tun haben und verweist auf die Stadt (Hier zu seiner Stellungnahme.)
Man kann das Verhältnis von Aldag und Labuschke durchaus als gespannt bezeichnen. Da ist Labuschke, der in den frühen Neunzigerjahren selbst Baudezernent in Halle war, danach als Investor geblieben ist und nun seinen Traum und den Traum manch anderer vom blühenden Golfsport in Halle träumt und zielstrebig verwirklicht. Auf der anderen Seite der Grüne, dessen Fraktion stets gegen den Golfplatzplan war und nun im Stadtrat ein ums andere Mal Transparenz einfordert. Zwar sind Aldag und die Grünen nicht die einzigen Stadträte, die immer wieder kritische Nachfragen stellen, aber die hartnäckigsten, Aldag vorneweg. An diesem Donnerstag im Juli aber reicht ihm fragen nicht mehr. Er will selbst sehen, was Sache ist. Und die Liegewiesen sind erst der Anfang seiner Runde am See.
Von den Liegewiesen in der Nähe des Golfplatzparkplatzes wandert er nach Süden, hin zum sogenannten Büschdorfer Loch, dem Südwestarm des Hufeisensees. Der zukünftige Rundweg ist hier eine staubige Piste, malträtiert von schweren Kippern, Baggern und Ladern, die gerade das Terraforming am Südufer und auf dem Areal zur B6 hin machen. Man kann schon gut sehen, wie hier alles einmal werden soll. Wo die Abschläge geplant sind, wo die Greens hinsollen und wo die Sandbunker entstehen. Am Südufer sollen Loch 11, 12, 16 und 17 entstehen. Am Ende werden die Golfspieler um das Büschdorfer Loch herum bis auf die Innenhalde wandern (oder fahren), um dort einen Ball zu spielen und dann über einen Steg, der über den See führen soll, zurückzukommen.
Doch zur Zeit muss man noch durch den Staub stapfen, um voranzukommen. Immer wieder bleibt Aldag stehen. Zuerst fällt ihm ein grob gemauertes Häuschen direkt am Ufer auf. Es ist das neue Pumpenhaus, das für die Beregnung des Golfplatzes gebaut wurde. Es steht offen, am helllichten Tag ist das Licht an. Aldag späht hinein. Mehrere recht große Pumpen sind in dem Häuschen installiert und speisen Rohre mit mehreren Dezimetern Durchmesser. Das noch größere Ansaugrohr führt vom Häuschen unter Wasser mehrere Meter in den See hinein. Aldag fragt sich, ob es dafür eine Genehmigung gegeben habe. Labuschke habe seiner Erinnerung nach in ersten öffentlichen Veranstaltungen zum Golfplatz nur von Tauchpumpen gesprochen, die für die Beregnung nötig seien. Vom Ausmaß der Pumpenanlage ist Aldag daher überrascht. „Da wird offensichtlich eine Menge Wasser entnommen. Ich will wissen, was die Stadt genehmigt hat, nicht mehr und nicht weniger. Und ich will wissen, was er für die Entnahme bezahlt.“ Er werde Akteneinsicht fordern. Zuerst aber macht der Grüne erstmal das Licht im Pumpenhaus aus.
Im Weitergehen wird Aldag dann grundsätzlich: „Wir brauchen eine Faktenbasis. Wir brauchen Transparenz, denn es geht auch um das ökologische Gleichgewicht am Hufeisensee.“ Aldag befürchtet, dass die sensiblen Wasserschichten im See durcheinandergeraten, wenn zuviel Wasser entnommen werde. „Es gibt keine Gutachten, was dann passiert“, sagt er. Schon durch das Terraforming am Süd- und Südwestufer seien wichtige Biotope beeinträchtigt worden. „Sehen Sie dort“ – Aldag zeigt auf eine neue Böschung, die direkt am Ufer mehrere Meter in die Höhe steigt und bis ins Wasser hinein abfällt. „Der Schilfgürtel ist laut Bundesnaturschutzgesetz ein besonders geschütztes Biotop. Dort drüben ist er eindeutig geschädigt. Und die Böschung hat jetzt schon Erosionssschäden. Was, wenn sie abrutscht?“ Labuschke könne am Südufer, das sein Golfplatz komplett umschließt, machen, was er wolle. „Das ist schon eine Art Landgewinnung, die er hier betreibt“, so Aldag. „Es kontrolliert offenbar niemand, was hier passiert.“
Und dann ist da auch noch Aldags Verdacht, dass vom Golfplatz auch Wasser in den See geleitet werde. „Dann kommen auch Dünger, Herbizide und Funghizide in den See. Denn ohne solche Stoffe bekommt niemand den Rasen hin, den man für einen Golfplatz braucht“, so Aldag. Labuschke indes bestreitet, Wasser in den See einzuleiten. Aldag aber hat schon nach kurzer Zeit ein Drainagerohr entdeckt, das aus dem Boden ragt. Kurz darauf klettert er im Ufergebüsch an einem Steinhaufen herum. Er sucht das Ende des Rohrs – und findet es auch. Aus seiner Sicht ein weiterer Hinweis, dass die am See gelegenen Teile des Golfplatzes auch zum See hin entwässert werden sollen. Auch ein Beweis? Noch ist alles hier Baustelle. Aldag kann nur vermuten. Baustellen sind auch die Bunker von Loch 16, die Aldag jetzt ansteuert. Gelbe Plastikrohre ragen aus dem Boden. Aldag schabt mit dem Fuß ein paar Meter weiter an der Oberfläche. „Das ist Sand. Damit wurde wahrscheinlich ein Graben zugeschüttet. Der Streifen führt direkt zum See.“ Wo er endet, am Ufer, ist wieder ein Haufen grober Steine zu sehen. „Hier dürfte das Wasser dann herauskommen und in den See sickern“, sagt Aldag. Er macht Fotos mit seinem Smartphone. „Ich werde sie im Stadtrat zeigen, und dann soll die Verwaltung mir das mal erklären.“
Aldag ist jetzt im Spürrausch. Und trotzdem sagt er: „Es geht mir gar nicht so sehr um Labuschke und den Golfplatz.“ Er zollt dem Golfenthusiasten für seinen Platz sogar Respekt, von Landschaftsarchitekt zu Investor, freilich nicht ohne gleich wieder zu sticheln. „Die Hecke am Eingang ist zwar vor Trockenheit schon wieder tot und auch den gepflanzten Bäuen geht es nicht gut, wie man sieht. Aber was er hier am Golfplatz macht, das ist schon hoch professionell.“ Aldag will nicht als bloßer Verhinderer dastehen. „Die Entscheidung ist nun einmal gefallen.“ Politisch kühlt er sein Mütchen also eher bei der Stadt. Bau- und Umweltdezernent Uwe Stäglin und Oberbürgermeister Bernd Wiegand arbeiteten alles andere als transparent, sagt Aldag. „Ich piesacke den Stäglin in jeder Stadtratssitzung und bekomme so gut wie keine brauchbaren Informationen. Es ist ein blödes Spiel, und ich bin es leid.“ Aldag ist nicht allein. Die Stadt beantwortet die Nachfragen auch anderer Stadträte zumeist nur widerwillig und stark verzögert – eine Anfrage zu diesem Beitrag ließ sie bislang gänzlich unbeantwortet.
Am Ende seiner Tour steht Aldag wieder am Parkplatz. Ein, zwei Golfspieler schieben ihre Wägelchen mit den Schlägern vorbei. Die Baumaschinen lärmen und die Greenkeeper mähen in der Ferne den Platz. Aldag geht ein paar Schritte und ist auf dem sattgrünen Rasen, wo die Golfer das Putten üben können. Er geht in die Hocke und streicht mit der Hand über den Boden. „Geil! Was für eine Grasnarbe!“ Aldag, der Landschaftsgärtner, ist ehrlich beeindruckt. „Das hat er eben sehr gut gemacht, der Labuschke. Da kann man nichts sagen.“ Wie es zu alldem gekommen sei und wie die Stadt mit dem ganzen Thema umgehe, stehe aber auf einem anderen Blatt. Die Gefühlswelt des Wolfgang Aldag ist manchmal ambivalent.
Sowohl der Investor am Golfplatz Norbert Labuschke als auch die Stadtverwaltung wurden für diesen Beitrag um eine Stellungnahme gebeten. Während die verwaltung nicht antwortete, hat Norbert Labuschke ausführlich Stellung genommen.