Stadtrat macht Ernst gegen Wiegand
Nun wird es offiziell: Nach jahrelangem Hin und Her haben sich Halles Stadtratsspitzen endgültig darauf verständigt, das schon lange diskutierte Disziplinarverfahren gegen Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) jetzt auch formell einzuleiten. Der Stadtrat wirft dem OB vor, mit zwei Entscheidungen seine Amtspflichten grob verletzt zu haben: Zum einen ist da der umstrittene Deichbaubefehl des Oberbürgermeisters, den er direkt nach dem Hochwasser 2013 am Stadtrat vorbei erteilt hatte. Der Bau wurde dann gerichtlich gestoppt. Zum Zweiten geht es um den fehlerhaft an die Kommunalaufsicht weitergereichten Stadthaushalt aus demselben Jahr. Hier wurden Wiegand damals vom Innenministerium rechtswidrige Manipulationen vorgeworfen, der Stadtrat musste den Haushalt noch einmal beschließen.
Beide Vorwürfe sollen nun förmlich untersucht werden. Am Mittwoch der vorigen Woche fiel nach Informationen dieses Blogs die Entscheidung in der Fraktionsvorsitzendenrunde. Danach sandte Stadtratsvorsitzender Hendrik Lange (Linke) ein entsprechendes Ankündigungsschreiben an die Kommunalaufsicht im Landesverwaltungsamt. Das ist der Dienstweg. Frühestens in seiner Sitzung im November wird nun nach Lage der Dinge der Stadtrat das Verfahren offiziell einleiten. Dann beginnt ein noch zu benennender Verfahrensführer mit den disziplinarrechtlichen Ermittlungen.
Das Disziplinarverfahren ist ein im Beamtenrecht vorgesehenes Mittel, um mögliche Verfehlungen eines Beamten untersuchen und, wenn nötig, ahnden zu können. Der Stadtrat ist Dienstvorgesetzter des OB. Bereits im Vorfeld hatten die Stadträte verschiedene im Raum stehende Vorwürfe durch eine Anwältin prüfen lassen. Die zwei genannten waren danach als Grundlage des Verfahrens übrig geblieben, dem Vernehmen nach, weil sie am besten belegbar seien. Allerdings können die Vorwürfe auch noch erweitert werden. So wird vom Ausgang des noch am Landgericht Magdeburg anhängigen Strafverfahrens gegen den OB abhängen, ob auch seine umstrittenen Stellenbesetzungen bei seinem Amtsantritt im Dezember 2012 noch beamtenrechtlich aufgearbeitet werden.
Das Verfahren hatte sich bis jetzt in die Länge gezogen, weil zum einen der Stadtrat lange Anlauf genommen hatte, um die Vorwürfe zu untersuchen. Den Räten wäre es lieber gewesen, die Kommunalaufsicht hätte das Disziplinarverfahren geführt – was möglich gewesen wäre. Doch die Behörde schob den schwarzen Peter an den Stadtrat zurück. Danach hatte OB Wiegand lange die nötigen Gelder für die Vorermittlungen blockiert.
Oberbürgermeister Wiegand hat auf eine Anfrage dieses Blogs nicht reagiert. Vor rund einem jahr hatte er das Disziplinarverfahren gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung als überflüssig bezeichnet. Die Vorwürfe seien mehrfach durch das Rechnungsprüfungsamt überprüft worden, hatte Wiegand damals gesagt.
Es ist nicht das erste Disziplinarverfahren, dem er sich in Halle stellen muss. Bereits unter OB Dagmar Szabados (SPD) war eines gegen ihn als damaligem Beigeordneten eröffnet worden. Der Vorwurf seinerzeit: Mobbing gegen eine Mitarbeiterin. Das Ergebnis: eine empfindliche Geldstrafe, die 2014 auch gerichtlich bestätigt wurde.