Hat Landesregierung Wiegand geschützt?
Im Untreueprozess gegen Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) gerät plötzlich die Landesregierung in den Blickpunkt. Richter Gerhard Köneke verkündete am Freitag, das Gericht plane, den ehemaligen Staatssekretär im Innenministerium Ulf Gundlach (CDU) in dem Verfahren als Zeugen laden. Es geht um die Frage, ob das Innenministerium 2013 beim Landesverwaltungsamt (LVwA) zugunsten Wiegands intervenierte, um zu verhindern, dass die untergeordnete Behörde die Entlassung von dessen drei engsten Mitarbeitern noch innerhalb der Probezeit veranlasssen könnte. Eine Mitarbeiterin des Landesverwaltungsamts hatte zu einem früheren Zeitpunkt im Zeugenstand ausgesagt, dass im Landesverwaltungsamt alles für eine Entlassung von Büroleiterin Sabine Ernst sowie von Grundsatzreferent Oliver Paulsen und Sicherheitsreferentin Martina Wildgrube vorbereitet gewesen sei, und angedeutet, dass das Innenministerium seinerzeit interveniert haben könnte. LVwA-Präsident Thomas Pleye habe daraufhin die Verfügung an Wiegand nicht versandt, woraufhin die Probezeit der drei Mitarbeiter auslief. Sie war von Wiegand zuvor ohnehin schon verkürzt worden.
Die mutmaßlich ungerechtfertigte Einstufung der Mitarbeiter ist Gegenstand des Untreueprozesses in Magdeburg. Wiegand soll ihnen am Tag seines Amtsantritts zu hohe Erfahrungsstufen gemäß des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst zugestanden haben, wodurch der Stadt ein Schaden von rund 300.000 Euro entstanden sein soll, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. In einem ersten Verfahren vor dem Landgericht Halle war Wiegand freigesprochen worden. Das Urteil hatte der Bundesgerichtshof jedoch später verworfen und die neuerliche Verhandlung in Magdeburg angeordnet.
Die Ladung Gundlachs ist insofern eine Überraschung, als dass sich das Gericht bisher lediglich um eine schriftliche Stellungnahme und die Übersendung von Akten aus dem Innenministerium und dem Landesverwaltungsamt bemüht hatte. „Wir wollen aufklären, was im April 2013 im Innenministerium besprochen wurde. Wenn ich aus dem Innenministerium keine Schriftstücke bekomme, müssen die hierherkommen“, so Köneke. Wiegand bestätigte gestern im Prozess, dass es in dem Zeitraum Gespräche im Innenministerium gegeben habe. Dabei sei es aber um die Abwendung eines sogenannten Finanzkommissars gegangen.
In Halle hatte es seinerzeit wiederholt Mutmaßungen gegeben, dass das Innenministerium unter Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Wiegand schütze. Der stand damals unter erheblichem Beschuss aus dem Stadtrat, unter anderem wegen seiner Personalpolitik. Nun will das Gericht Klarheit. Wann Ex-Staatssekretär Gundlach, der 2016 aus der Landesregierung ausgeschieden ist, als Zeuge gehört wird, steht noch nicht fest.
In einer vorläufigen Zwischenbetrachtung des Untreuefalls selbst äußerte Richter Köneke noch keine eindeutige Bewertung: „Es ist schwierig: Ich verstehe, dass es wichtig ist, Vertrauenspersonen zu gewinnen. Aber es könnte eben auch ein Fall von Ämterpatronage sein.“