Provinzposse Kulturhauptstadt
Dass es zu keinem besseren Hastag als #culturebeef gereicht hat, sagt vielleicht schon alles aus über die absurde Debatte, die gerade zwischen Halle und Magdeburg geführt wird. Kulturhauptstadt Europas 2025. Nach Lage der Dinge können da weder Halle noch Madgeburg ernsthaft mitspielen. Da ist zum einen die triste Landeshauptstadt eines nicht gerade erfolgreichen Bundeslandes, dessen wegweisendste Kulturleistung der vergangenen Monate es war, sich endlich vom selbstverliehenen Titel „Land der Frühaufsteher“ verabschiedet zu haben. Auf der anderen Seite steht Halle, das nun wie Kai aus der Kiste plötzlich anmerkt, man sei ja schon immer und seit jeher der natürliche Hort der Kultur im Land.
Abgesehen davon, dass der Kulturstreit geführt wird, wie eine Fußballfanrivalität: Wenn man eines aus der Geschichte der Kulturhauptstädte Europas weiß, dann dass es eine gute Erzählung braucht, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Die Kulturerzählung Halles wird in den letzten Jahren allerdings fremd- und selbstverschuldet von Vokabeln wie „Spielstättensschließung“, „Konsolidierung“ oder „Synergieeffekte“ beherrscht. Kultur- und kraftvoll ist anders: Halle streicht sein letztes A-Orchester weiter zusammen, Halle knausert bei seinem Zuschuss für die Moritzburg. Hinzu kommt der Katzenjammer rund um den gescheiterten Welterbeantrag der Franckesschen Stiftungen. Das nagt am Selbstverständnis. Das sind auch schwere kulturpolitische Scharten in der Amtszeit von Oberbürgermeister Bernd Wiegand.
Ist da sein „aus der Hüfte geschossener“ (Mitteldeutsche Zeitung) Vorstoß mehr als Sommertheater und der verzweifelte Versuch zumindest rhetorisch wieder in die Offensive zu kommen? In seinem Vorschlagstext jedenfalls bleibt er vage und unkonkret. Er liefert nicht mehr als reines Namedropping der Kulturstätten in der Stadt – eine beschönigende Bestandsaufnahme, gepaart mit den üblichen Programmplattitüden: „Faktor Kultur“, „Dreiklang Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft“. Leuchtturmprojekte, Zukunftsvisionen, eine Idee von der Kulturhauptstadt Halle und ihrem Beitrag für Europa und die europäische Idee? Fehlanzeige. Die von ihrem OB nachhaltig irritierten Künstler der Stadt jedenfalls halten sich bisher auffallend zurück.
Sie scheinen zu wissen, dass Wiegands Vorstoß wirkungslos bleiben wird. Der OB, der von Kultur oft spricht wie ein Marketingstratege („Alleinstellungsmerkmal Händelstadt“), hat nicht das landespolitische Standing, um den Koalitionsvertrag auszuhebeln, Landesgelder umzuleiten oder gar die Magdeburg-Lobby in Regierung und Landtag ernsthaft anzugreifen. Kulturminister Rainer Robra hat ihn nun auch formvollendet und in Chefsprache auflaufen lassen: „Natürlich steht es jeder Stadt frei, sich um den Titel zu bemühen.“ Wiegand ist damit weit davon entfernt, seinem Wahlanspruch gerecht zu werden, Halle wieder mehr Gewicht im Land zu verschaffen. Dazu hätte man in Sachen Kulturhauptstadt schon vor Jahren, allerspätestens aber während der Koalitionsverhandlungen aktiv werden müssen.
Aus hallescher Sicht ist daher nur zweierlei bemerkensert: Erstens, mit Blick aufs Land, dass es offenbar genauso ist, wie befürchtet: Es gibt keine wirksame Lobby für Halle, auch nicht Minister Marco Tullner. Die Zuständigkeit für das hier entscheidende Fach Kultur, wurde ihm von Staatsminister Rainer Robra entwunden. Nun im Sommerloch zurückzusticheln, ist billig. Und zweitens mit Blick auf die Stadtpolitik, dass plötzlich Tullner und Intimfeind Wiegand („alte Kräfte“) sogar mal an einem Strang ziehen. Es herrscht also noch nicht kompletter Stillstand in der Stadt. Wenn es hier auch nur um eine Scheindebatte geht, ist das dennoch die erfreulichste Botschaft des Ganzen.
Wie geht es nun weiter? Aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht, außer dass nun der Hashtag noch ein bisschen gefüttert wird (auch mit diesem Beitrag, fürwahr) und in den Lokalblättern beider Seiten, besonders aber wohl in Halle, die eine gegen die andere Stadt in Rankings oder Umfragen antreten wird. Die provinzielle Rivalität der beiden Möchtegern-Metropolen, die sich darin manifestiert, ist das Gegenteil dessen, womit man Kulturhauptstadt Europas wird und werden sollte. So bleibt dieser #culturebeef eben einzig das: Eine Provinzposse im Sommerloch.