Ex-Jobcenter-Chefin Tempel muss 19.000 Euro zurückzahlen
Nun wird es juristisch doch noch einmal eng für Sylvia Tempel. Die frühere Chefin des Jobcenters Halle ist heute vor dem Landgericht Halle zur Rückzahlung von 19.000 Euro verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich Tempel zu Unrecht am Vermögen der früheren Arge SGB II GmbH bereichert hatte. Der Ausgang des Zivilprozesses gilt Beobachtern als Fingerzeig für ein ebenfalls noch anhängiges und demnächst beginnendes Strafverfahren wegen Untreue in der gleichen Angelegenheit.
Tempel, die 2014 wegen eines Skandals um auf ihrem Privatgrundstück eingesetzte Ein-Euro-Jobber geschasst worden war, war in einem früheren Prozess vom Vorwurf der Untreue in diesem Fall freigesprochen worden. Eine Mitarbeiterin des Bildungsträgers, bei dem die Ein-Euro-Jobber beschäftigt waren, hatte zuvor die Schuld auf sich genommen und einen Strafbefehl akzeptiert.
Monatlich 400 Euro abgehoben
In dem heute beendeten Zivilprozess ging es nun jedoch um Vorgänge anderer Art. Geklagt gegen Tempel hatte die frühere Arge SGB II GmbH, die sich derzeit in Auflösung befindet. Tempel war als sogenannte Liquidatorin seit 2011 damit beauftragt, die Arge abzuwickeln, ein Job in Personalunion mit der Jobcenter-Geschäftsführung. Seit 2011 war das Jobcenter für die Arbeitslosenvermittlung zuständig. Wie beim Jobcenter gab es auch bei der Vorgänger-Arge zwei Gesellschafter: die Stadt Halle und die Arbeitsagentur. Tempel hatte als Liquidatorin Verfügung über das Stammkapital der Arge GmbH in Höhe von 25.000 Euro und hatte mit einer Geldkarte zwischen Februar 2011 und Dezember 2013 immer wieder 400 Euro in bar abgehoben, insgesamt 11.200 Euro.
Laut Verteidigung habe sie damit eine ihr zustehende Vergütung in Anspruch genommen. Grundlage sei ein Arbeitsvertrag, den der damalige Wirtschaftsbeigeordnete der Stadt Wolfram Neumann mit ihr abgeschlossen habe. Dem folgte das Gericht jedoch nicht. Der Vertrag sei allenfalls als Entwurf zu werten. Er enthalte zwar die Unterschrift Neumanns und den 400-Euro-Betrag, ansonsten aber weder Datum, Ort oder Angaben zum Arbeitgeber. Auch sei Neumann nicht befugt gewesen, eine Vergütungsvereinbarung im Namen der Arge zu unterzeichnen. „Die Beklagte hat sich zu Unrecht am Stammkapital bedient und ist zur Rückzahlung verpflichtet“, so Richterin Karen Sachs.
Welche Rolle spielte Dezernent Neumann?
In dem Prozess wurden neben der fragwürdigen Unterschrift Neumanns unter einem Vertragsentwurf auch weitere Vorgänge thematisiert. So verteidigte sich Tempel mit dem Argument, Neumann habe sie angewiesen, die Liquidation der Arge zu verschleppen, weil die Stadt die GmbH-Konstruktion womöglich noch gebrauchen könnte. Damals gab es noch offene Verfahren um die im Zuge der Hartz-Gesetze entstandenen Arge-Konstruktionen bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Auch dieses Argument verwarf Richterin Sachs jedoch: „Eine solche Anordnung entspricht nicht dem, was sich das GmbH-Gesetz vorstellt, nämlich eine zügige Liquidation.“ Hätte Tempel die Arge zügig abgewickelt, wären auch keine Folgekosten etwa für Jahresabschlüsse von 2013 bis 2015 entstanden. Jahresabschlüsse, die Tempel im Übrigen pflichtwidrig nicht erstellt habe, weswegen in zwei Fällen Ordnungsgelder gegen die Arge verhängt worden waren. Auch diese muss Tempel aus eigener Tasche bezahlen. Gesamtsumme der Rückzahlung: eben 19.000 Euro.
Zur Urteilsverkündung war heute keine der beiden Seiten erschienen. Der heutige Jobcenter-Geschäftsführer und Arge-Liquidator Jan Kaltofen, der gegen Tempel geklagt hatte, sagte gegenüber diesem Blog: „Ich freue mich, dass das Gericht unsere Anträge bestätigt hat. Wir wollen aber auch die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.“ Tempel-Anwalt Uwe Berthold war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Wolfram Neumann trat gegenüber diesem Blog den Behauptungen, die Tempels Seite vor Gericht gemacht hatte, entschieden entgegen: „Es gab nie einen wirksamen Arbeitsvertrag. Das Papier ist über das Entwurfsstadium nie hinausgekommen. Auch eine Anweisung meinerseits, die Liquidation hinauszuzögern, hat es nicht gegeben.“ so Neumann. Wohl habe es kurzzeitig Überlegungen gegeben, Halle könnte sich dem sogenannten Optionsmodell anschließen und das Jobcenter in Eigenregie betreiben. „Aber der Stadtrat hat entschieden, dass wir nicht optieren, und damit war die Sache erledigt.“ so Neumann.
Erledigt ist die Sache für Sylvia Tempel hingegen wohl noch nicht. Sie muss sich wegen der Abhebungen vom Stammkapital der Arge auch noch strafrechtlich verantworten. Vor dem Amtsgericht Halle ist bereits Anklage erhoben. Einen Eröffnungstermin in dem Verfahren gibt es noch nicht.
Update: Sylvia Tempels Anwalt hat angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Es ist noch nicht rechtskräftig.