BGH: „OB hatte kein weitgehendes Ermessen“
Wer sich ein eigenes Bild zum Strafverfahren gegen Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) bilden möchte, hat nun die Gelegenheit dazu. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sein Urteil vom 24. Mai mit ausführlicher Begründung heute online gestellt.
Damals widerrief der BGH den Freispruch Wiegands vom Vorwurf der Untreue in drei Fällen vor dem Landgericht Halle und verwies das Verfahren zur neuen Verhandlung an das Landgericht Magdeburg. Wiegand steht vor Gericht, weil er dreien seiner Mitarbeiter bei deren Einstellung zu seinem Amtsantritt zu hohe Erfahrungsstufen zugebilligt haben soll.
Nun ist auf 16 Seiten ausführlich nachzulesen, welche Gründe das höchste deutsche Strafgericht für seine Entscheidung hatte und wie es die Aussagen der Beteiligten wertete. Demnach habe das Landgericht Halle vor allem in der Frage des Ermessensspielraums, den der OB für sich in Anspruch genommen hatte, falsch geurteilt, so der BGH.
Die Richter in Halle hatten ihm zugebilligt, bei der Festlegung der Erfahrungsstufen für seine Mitarbeiter – alle drei hatten unüblicherweise Erfahrungsstufe 5 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) erhalten – letztlich keine „sachfremden Motive“ gehabt zu haben. So war der Untreuevorwurf in der ersten Instanz entkräftet worden, obwohl Wiegand mit der Zubilligung der hohen Erfahrungsstufen das Ziel gehabt habe, den Mitarbeitern „entgegenzukommen, um sie künftig an sich zu binden, und sie gleichzeitig für die im Wahlkampf geleistete Unterstützung zu belohnen.“
Ausschlaggebend für den BGH war jedoch, dass er die Rolle, die der TVöD juristisch spielt, anders bewertete. Wiegand habe in diesen Fragen kein „weitgehendes Ermessen“. Zudem habe das Landgericht in seiner Urteilsfindung Einlassungen des OB „ungeprüft übernommen“.
An die nun zuständigen Richter in Magdeburg erteilt der BGH zudem zwei Hinweise:
So sollten die Details der Einstellungsvorgänge im November und Dezember 2012 stärker in den Blick genommen werden, etwa
„dass der Angeklagte bestehende Ausschreibungsvorschriften nicht beachtete, die für die Einstufung maßgeblichen Gründe nicht dokumentierte, ferner die verspätete Zuleitung unvollständiger Bewerbungsunterlagen an das Personalamt der Stadt, die Nichtbeteiligung des Personalrats, die vorfristige Verkürzung der vorgesehenen Probezeiten und der Umstand, dass der Angeklagte – nach den Feststellungen in Abweichung von der übli- chen Verfahrensweise – die Zubilligung der Erfahrungsstufe unmittelbar in den Arbeitsverträgen festschrieb.“
Zum anderen solle die Magdeburger Strafkammer aber auch bewerten, ob der Stadt denn durch die Höhergruppierung überhaupt ein so großer Schaden entstanden sei, wie behauptet. Die Staatsanwaltschaft war immer von rund 290000 Euro Schaden ausgegangen – die Differenz zwischen dreimal Erfahrungsstufe 1 und der den Mitarbeitern tatsächlich zugebilligten Erfahrungsstufe 5. Der BGH hält nun jedoch „möglicherweise“ Erfahrungsstufe 4 als Bezugsgröße für „in Betracht zu ziehen“.
Das Wort haben nun die Richter am Landgericht Magdeburg. Wann der Prozess dort beginnt, ist noch offen.
Früher zu diesem Thema: