Behinderter Junge stürzt aus Fenster
Eine Schule unter Schock: Am Landesbildungszentrum für Körperbehinderte (LBZ) in der Murmansker Straße ist ein 9-jähriger Junge schwer verunglückt. Er stürzte aus dem Fenster einer Toilette im zweiten Stock. Das Unglück ereignete sich nach Polizeiangaben bereits am vergangenen Donnerstag. Der Junge überlebte den Sturz aus rund zehn Metern Höhe und wurde verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort wird er stationär behandelt. Er habe aber keine lebensbedrohlichen Verletzungen.
Nach bisherigen Erkenntnissen habe der Junge allein die Toilette aufgesucht und möglicherweise hinterher den Schließmechanismus nicht wieder lösen können, so Polizeisprecherin Anja Koppsieker. Weitere Details nannte sie mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht.
Verschiedene andere Quellen schildern das mögliche Geschehen so: Der Junge sei aus dem Fenster geklettert oder habe sich zu weit hinausgelehnt. Ob aus Panik oder um nach Hilfe zu rufen, bleibt offen. Offenbar habe er dabei das Gleichgewicht verloren und sei rund zehn Meter in die Tiefe gefallen. Ein zu Hilfe eilender Betreuer, habe, als der Junge nach kurzer Zeit vermisst wurde, die Toilettentür geöffnet, die Kabine war aber schon leer. Den Sturz selbst hat offenbar niemand beobachtet. Ersthelfer fanden den Jungen blutend aber ansprechbar unter dem Toilettenfenster.
„Er hat tausend Schutzengel gehabt“, ist von allen zu hören, die für diesen Blog am Montag befragt wurden. Die Schule selbst will zur Zeit keine Fragen beantworten, da es sich um ein schwebendes Verfahren handele. Polizeisprecherin Koppsieker: „Wir prüfen, ob es strafrechtlich relevante Pflichtverletzungen gegeben hat. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.“
Die Stimmung am Landesbildungszentrum ist derweil angespannt. Die teilweise schwerbehinderten Kinder benötigen oft spezielle Hilfen im Unterricht und darüber hinaus. Seit Wochen protestieren die Eltern der Schule jedoch gegen die Versetzung mehrerer pädagogischer Mitarbeiter an andere Schulen, weil sie die Betreuung ihrer Kinder in Gefahr sehen. Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete bereits mehrfach darüber. Nun dieser Vorfall.
Elternsprecherin Silva Preuß sagt: „Bei Eltern und Schülern herrscht große Bestürzung und Verunsicherung. Viele fragen sich, was wäre, wenn es meinem Kind passiert wäre.“ Sie sieht zumindest indirekt einen Zusammenhang zwischen der aus ihrer Sicht schlechten Personalsituation am LBZ und dem Unfall:
Es gibt hier Kinder mit hohem Förderbedarf und auch solche, die ständig beobachtet werden müssen. Also ist es notwendig, dass genügend Personal da ist. Das ist aber nicht der Fall, von daher haben wir schon die Befürchtung, dass sich solche Vorwürfe häufen. Und es ist ja nicht der erste.
Die Lehrkräfte und Betreuer der Schule nahm sie jedoch ausdrücklich von ihrer Kritik aus. „Sie leisten unglaubliche Arbeit und sind auf jeden Fall am Limit. Es sind die Umstände, die katastrophal sind“, so Preuß.
Landesschulamt und Bildungsministerium widersprechen einem Zusammenhang zwischen der Personalsituation und dem Fenstersturz des Jungen. „Es ist ein tragischer, bedauernswerter Unfall“, sagte Stefan Thurmann, Sprecher von Bildungsminister Marco Tullner (CDU). „Nach unseren Erkenntnissen liegt aber keine Vernachlässigung der Betreuungspflicht vor, weil sowohl ein Betreuer als auch der Vater des Jungen vor Ort waren.“ Silke Stadör, Sprecherin des Landesschulamts sagte: „Ein Zusammenhang zwischen der Personalausstattung und dem Unfall kann absolut ausgeschlossen werden.“ Fragen nach der konkreten Betreuungssituation am vergangenen Donnerstag wolle sie daher nicht diskutieren, „da sie nicht relevant sind.“ Weiter sagte Stadör:
Zum Zeitpunkt den Unglücks waren sowohl der Stiefvater des Jungen als auch der Betreuer in unmittelbarer Nähe. Der Junge war auf der Toilette und verfiel in Panik, als er die Tür von innen nicht öffnen konnte, weil der Schließmechanismus klemmte. Offensichtlich hat er den Weg aus dem Fenster als Fluchtweg gesucht. Bislang hat er sich zu seinem Motiv nicht geäußert. Der Stiefvater hat bestätigt, dass der Schule keine Verletzung der Betreuungs- und Aufsichtspflicht vorzuwerfen ist.
Die Eltern des Jungen waren bisher für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.