Leitung lässt eigene Kita im Stich – Stadt springt ein
Dramatische Tage in der Kita Lebensbaum. Die Einrichtung eines freien Trägers in der Fischer-von-Erlach-Straße in der Nähe des Galgenbergs ist offenbar von ihrer Leitung einfach im Stich gelassen worden. Der Geschäftsführer und die pädagogische Leiterin waren nach den Weihnachtsferien einfach nicht wieder aufgetaucht. Eltern und die übrig gebliebenen Erzieher tappten tagelang im Dunkeln und sind nun fieberhaft darum bemüht, eine drohende Schließung der Einrichtung zu verhindern. Bis heute weiß niemand, warum sich die beiden über den Jahreswechsel einfach abgesetzt haben.
Doch es gibt wohl vorerst eine Lösung: Der städtische Eigenbetrieb wird nach Informationen dieses Blogs den Betrieb der Kita zunächst sicherstellen. Noch am Abend verbreitete die Stadt dazu eine offizielle Mitteilung. Darin wird Katharina Brederlow, Beigeordnete für Bildung und Soziales, zitiert: „Die Versorgung der Kinder durch die Erzieherinnen wird uneingeschränkt gewährleistet.“ Die Stadt habe den Erzieherinnen die Fortsetzung ihrer Arbeitsverhältnisse zugesichert. Für die Eltern, deren Kinder in der Kita „Lebensbaum“ betreut werden, stehe der Eigenbetrieb Kindertagesstätten als Ansprechpartner zur Verfügung, heißt es weiter.
Noch gestern hatten Vertreter des Fachbereichs Bildung, der Aufsichtsbehörde für freie Kitaträger, bei einer Elternversammlung eine Schließung bis Freitag verfügt, die Frist später auf Dienstag kommender Woche verlängert. Ein Schock für Eltern und Erzieher. In der Kita werden derzeit gut 60 Kinder von fünf Mitarbeiterinnen betreut. Am Donnerstag muss es dann in der Stadtverwaltung offenbar eine intensive Debatte gegeben haben, in die sich dem Vernehmen nach auch Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) eingeschaltet hat. Die dann gefundene Regelung, dass der Eigenbetrieb der Stadt quasi als Notfallträger einspringt, soll „bis auf Weiteres“ gelten. Parallel wurde heute durch die Erzieher die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Das Amtsgericht Halle bestellte daraufhin einen Gutachter, der die Bücher prüfen soll.
Vor allem juristisch ist die Materie verzwickt und wohl ein Präzedenzfall in Sachsen-Anhalt. Denn offiziell existiert der Kitaträger, eine gemeinnützige GmbH weiter. Sie hat auch einen im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer. Dass er aber einfach nicht erreichbar und die Kita damit führungslos ist und was daraus folgt, das stellt selbst erfahrene Juristen vor ein Rätsel.
Die vor zehn Jahren gegründete Kita Lebensbaum zählte bislang unter Eltern zu den Geheimtipps in Halle. Sie galt vor allem pädagogisch als hervorragend geführt. Dennoch gab es schon lange hinter den Kulissen Konflikte. Immer wieder verließen Erzieher nach Streit mit dem Geschäftsführer Siegfried Z. die Einrichtung. Der 67-Jährige ist der Bruder der bisherigen pädagogischen Leiterin Marion G., die in Halle als Koryphäe der frühkindlichen Bildung galt. Die Kita Lebensbaum war ihr Lebenswerk.
Umso bizarrer die Umstände des Verschwindens der beiden. Weder Eltern noch Mitarbeiter waren informiert. Nach Recherchen dieses Blogs hatten Z. und G. ihren Abgang aber wohl von längerer Hand geplant. Bereits im November überschrieben sie ihre Anteile an der gGmbH an eine Berliner Beteiligungsgesellschaft. Am Tag vorher hatten sie noch Eltern und Mitarbeiter zu einem gemütlichen Kaminabend zum Jahresausklang geladen, freilich ohne ihre Pläne mitzuteilen. Alles wirkte wie immer, schildern es Eltern.
Elternsprecherin Franziska Seifert sagte zu den dramatischen Tagen: „Es waren harte Tage für alle Beteiligten. Wir waren geschockt, dass die Kita-Leitung sich einfach aus dem Staub gemacht hat, und wir waren nochmal geschockt, als es hieß, unsere Einrichtung werde geschlossen.“ Umso froher sei man nun über die Nachricht, dass es erst einmal mit der Kita weitergehe. „Wir haben in den letzten Tagen mit unseren Eltern, die teilweise auch einen juristischen Hintergrund haben, Ideen entwickelt, wie es weitergehen kann. Ich bin froh darüber, vor allem wegen unserer Kinder. Sie hängen sehr an ihrer Kita und an den Erzieherinnen. Nun können sie dort bleiben, wo sie sich wohlfühlen.“
Die neuen Eigentümer der Kita Lebensbaum gGmbH waren am Donnerstag für Nachfragen nicht zu erreichen. Weder zu Marion G. noch zu Siegfried Z. besteht derzeit Kontakt. Auch die Stadt hat zu detaillierten Nachfragen bisher keine Stellung genommen.
Offenlegung: Der Autor hatte seine Kinder früher mehrere Jahre in der Kita Lebensbaum, kennt die Einrichtung und die beteiligten Personen daher persönlich. Seit rund anderthalb Jahren besteht keine Beziehung mehr zu der Kita.